Extra: Friilingsfeelings – Drei Frühlingsgedichte aus drei Jahrzehnten von Theo Schneider

Drei Frühlingsgedichte aus drei Jahrzehnten:

Aus den frühen Siebzigern : testosteronschwitzend, Henri-Miller-Macho-like, postpubertär und neoexpressionistisch, panerotisch, jung und wild mit palatinensisch-denglischem Titel: „Friilingsfeeling“.

Das zweite, ein Jahrzehnt später, immer noch panerotisch, doch statt wilden Ergüssen überfließende Strömfelder, vor allem aber Literaturliteratur: von J.M.R. Lenz und Georg Büchner bis Martha Saalfeld, von Shakespeare und Goethe bis Theweleit erstrecken sich die Echoräume in „nach landau“.

„Frühling 2020“, das dritte, ist fast 4 Jahrzehnte später entstanden, zen-buddistisch abgeklärt, gelassen ruhiges Schauen, alterweise das Weiß betrachtend, lakonisch, eigentlich ein etwas aufgeplustertes Haiku….

„Friilingsfeeling“

Am Nachmittag faul
da ist die Welt noch in Ordnung
aus dem Dorf fahren und sich
in die Prärie hauen
vernaschtes Braun gepflügter Felder
und Wiesen
frische grüne
wie junge Erbsen
auf Konserven
dazwischen ganz in Weiß
die Hochzeiten von Kirschen und Schlehen

Mißtrauisch beobachte ich
die cinema scope super color Breitwand der Landschaft
ob nicht gleich hinter dem Horizont
eine überdimensionale Kurmarkschachtel auftaucht
und eine sonore Stimme werbend mich anbalzt

Sanft beschläft mich die Sonne
und langsam – gottverdammt –
werde ich geil: ein Eifersuchtsdrama bahnt sich an
zwei Männer schieß ich übern Haufen kurzerhand
und schnapp mir di besseren Hälften

Und dann
Mann
wenn du dann
in die Schlüsselblumen onanierst
unterm Bauch die kitzelnden Halme spürst
und die würzige Erde witterst
wirst du so leicht
im Licht
daß du dich festkrallen mußt
im Gras
um nicht wegzutrudeln
den Himmel
hinunter

„nach landau“

nach landau

für kfg

den 30. januar
mit dem auto
durch die rheinebene

nach dem frost dampfend
aufgebrochene äcker
schneegescheckt

überfließende flüsse
uferlos

wasser in den wiesen
wind

bläue und wolken
ein rasender himmel

lenz luft in landau
so schön bereit
sein ist alles
wird möglich

die flut friederike

„Frühling 2020“

Die weißen Büschel
der Schafherde vor den
weißen Büschen der Schlehen:
die blühenden Schafe
die blökenden Schlehen

Theo Schneider

Theo Schneider, geb. 1952, studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie (MA); von 1978 bis 2018 Arbeit als Autor, Redakteur, Kulturjournalist, Literatur-Theater- und Kunstkritiker, Regisseur und Dokumentarfilmer von der Pfalz bis Südamerika für SWF/SWR u.a. ARD-Sender sowie für Zeitungen und Zeitschriften.
Er (mit)begründete und leitete Literaturwerkstätten an der VHS KL und Zweibrücken, die Autorengruppe Kaiserslautern, den Literaturdienstag, die Literaturzeitschriften „Formation“ und „Chaussee“ und ist darüber hinaus in vielen anderen Bereichen der Literaturszene tätig.

„Podcastliteratur“ mit der VHS Kaiserslautern ist sein neuestes Projekt.

Theo Schneider: (c) Theo Schneider