Das sind einige der Etiketten, mit denen die Literaturkritik den Debütroman von Yade Yasemin Önder feiert.
Sie ist 1985 in Wiesbaden geboren und – aber das weiß kaum jemand – in Kaiserslautern aufgewachsen und ist hier (falls meine Informationen stimmen) durch ein Projekt an der Berufsschule zum Schreiben gekommen.
Ihr Buch mit dem rätselhaften Titel, dem übrigens keine Genrebezeichnung folgt, ist ein Wirbel aus Prosafragmenten und Miniaturen, der Szenen, Bilder, Erlebnisse und Erinnerungen einer Heranwachsenden in einer Familienkonstellation zwischen fettem Vater mit türkisch-kurdischem Migrationshintergrund und übergriffig mosernder Mutter mit deutschem Menstruationshintergrund aufblendet. In einem Alter und einer Zeit, die geprägt sind von pubertärem Frühlingserwachen und MeetToo-Gewalterfahrungen, kulturellen Kurzsichtigkeiten, Selbstoptimierung und Selbstzweifeln.
Das Wichtigste an Yade Yasemin Önders Buch aber ist seine Sprache und seine Komposition jenseits der Wut, der Klagen und des Gejammers herkömmlicher Migrantenliteratur. Wer eine zusammenhängende chronologisch erzählte Handlung erwartet wird enttäuscht. Es ist vielmehr ein Wirbel von Fragmenten, Szenen, Miniaturen, Erinnerungen, experimentellen Varianten, die sich oft assoziativ fortschreiben, häufig grotesk verdichtet, mit surrealen und unwahrscheinlichen Übertreibungen, voll verblüffender Wendungen und überraschender Bilder, oft rotzig, lärmend, laut und lustig, fast immer stark rhythmisiert und nur an der Oberfläche scheinbar autofiktional inspiriert. Bei genauem Hinsehen von durchtriebener Komplexität und experimenteller Sprach-Stil- und Kompositionslust.
Am 16. Juni stellt Yade Yasemin Önder ihr Buch im Künstlerhaus Edenkoben in Lesung und Gespräch vor.
Als Vorbereitung dazu hier die Kostprobe von Theo Schneider.
Yade Yasemin Önder
Yade Yasemin Önder studierte (nach dem Abitur auf zweitem Bildungsweg) Literatur- und Erziehungswissenschaften an der HU Berlin, Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Ihr erstes Theaterstück »Kartonage« wurde zu den Autorentheatertagen 2017 eingeladen und am Wiener Burgtheater uraufgeführt. 2018 war sie Gewinnerin des open mike in der Kategorie Prosa, 2019 Preisträgerin des Martha-Saalfeld-Förderpreises, 2020 erhielt sie das Arbeitsstipendium Literatur des Berliner Senats und eine Einladung zum Heidelberger Stückemarkt. 2021 war sie Stipendiatin der Kulturakademie Tarabya Istanbul.