Zerrissenheit und Verlust sind die häufigsten Motive in der Lyrik von Dilek Mayatürk. Was in den konkreten Worten so einfach, was in den Bildern so individuell, so scheinbar unpolitisch klingt, erweist sich bei näherem Hinsehen als weibliche Stimme auf dem Hintergrund patriarchalischer Gesellschaft und politischer Unterdrückung.
Unwillkürlich wird das Private politisch und das Politische poetisch: Sie besuchte ihren Mann während seiner Haft im Istanbuler Gefängnis und merkte: „Als ich vor dieser Trennscheibe gesessen habe, habe ich immer diese Fingerabdrücke beobachtet…Ich habe auf dieser Scheibe einfach ein Gedicht gesehen.“
„Lyrik“, sagt Dilek Mayatürk, „ist eine Form, um eine Geschichte komprimiert zu erzählen…Gedichte schreiben ist wie Träumen für mich.“
Bereits als Kind begann sie, Deutsch zu lernen. Seit einigen Jahren schreibt sie ihre Gedichte auf Türkisch und auf Deutsch. Wohlgemerkt: Sie übersetzt sie nicht, sondern schreibt zwei eigenständige Gedichtfassungen in zwei verschiedenen Sprachen.
Zur Zeit ist Dilek Mayatürk Stipendiatin im Künstlerhaus Edenkoben. Kerstin Bachtler hat sie dort getroffen und für uns ein Extra mitgebracht.
Dilek Mayatürk wurde 1986 in Istanbul geboren. Dort und in Klagenfurt studierte sie Soziologie. Ab 2008 arbeitete sie als Dokumentarfilmerin und Produzentin, u.a. auch für die BBC. 2017 heiratete sie den deutsch-türkischen Autor und Journalisten Deniz Yüksel, der sich damals in türkischer Haft befand. Heute lebt sie in Berlin.
Dilek Mayatürk schreibt Gedichte seit sie zwanzig ist, wofür sie bereits in der Türkei ausgezeichnet wurde. 2014 erschien der Gedichtband „Cesaret Koleksiyonu“ (dt: „Mutsammlung“) und 2020 der Band „Brache“ im Hanser Verlag.