
Im vorigen Jahr ist er 80 geworden: Jürgen Theobaldy. Er stammt aus Ludwigshafen, ist im Mannheimer Arbeitermilieu aufgewachsen, von dem viele seiner frühen Texte inspiriert sind, in Heidelberg hat er studiert und an der Studentenbewegung teilgenommen, dann ist er nach Berlin gezogen und seit vier Jahrzehnten lebt, arbeitet und liebt er in der Schweiz.
Als Dichter hat er Literaturgeschichte geschrieben als er und andere junge Autoren in den 70er Jahren die deutsche Lyrik erneuert haben mit „Alltagslyrik“ und „Neuer Sensibilität“. Indem sie alltägliche Erfahrungen zum Gegenstand ihrer Gedichte machten und in umgangssprachlichen Redeweisen formulierten. Und im Gegensatz zu damals verbreiteten Forderungen politisch propagandistisch zu schreiben, bestanden sie auf der Wichtigkeit auch ihrer ganz persönlichen, intimen Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen und auf deren Ausdruck in ihrer Literatur.
„Er war damals fast ein literarischer Star durch seine ersten Gedichtbände und durch Prosa…Schlank, auf seine Art elegant in den Bewegungen, schlaksig, leicht mannheimerisch eingefärbter Ton, immer ein bisschen auf ironischer Distanz. Wo er war, war er dabei, gehörte aber nicht dazu. Er war stets für sich… Für immer verließ er das aufgeregte, aber auch ausgeleierte Berlin und das schriftstellernde Milieu, dem er nie ganz angehört hatte.“ (schrieb Thomas Schmid in der „Welt“ zu seinem 80. Geburtstag 2024)
Ich selbst kenne Jürgen Theobaldy, den alle „Theo“ nennen, seit mehr als 40 Jahren, hatte damals alles von ihm gelesen, ihn nach seinem Umzug in die Schweiz aber etwas aus den Augen verloren. So war es eine umso größere Freude, ihn vor einigen Jahren wiederzusehen und die Bekanntschaft, die an eine Freundschaft grenzt, wieder aufleben zu lassen und ihn für die Mitarbeit an podcastliteratur.de zu gewinnen.
Die Aufnahme, die Sie hier hören können, ist im vorigen Jahr entstanden und bietet einen sehr fundierten und genauen hoch spannenden Überblick über Leben, Literatur, Motive, Hintergründe und Schreibweisen von Jürgen Theobaldy.
Der gleichzeitig einen wichtigen Umbruch in der Literatur der Bundesrepublik markiert, erklärt und nacherleben lässt: Den Umbruch von einer Lyrik in den Nachkriegsjahrzehnten (für die Namen wie etwa Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Peter Huchel oder Günther Eich u.a. stehen) und der Generation von jungen Autoren, die in der Nachfolge der us-amerikanischen „beat-generation“ oder anglo-amerikanischer Beat,-Rock- und Bluesmusik Themen des Alltagslebens in ihre Texte aufnahmen und diese nicht mehr hermetisch verschlossen, sondern in alltäglicher Sprache formulierten. Ganz entscheidend ist für diesen Umbruch auch ein doppeltes Verhältnis zur Politik. Einerseits das heftige, oft auch persönliche aktive Engagement in Studentenbewegung und außerparlamentarischer Opposition, andererseits aber auch die Verweigerung, sich rigiden linken Beschränkungen zu unterwerfen und auf dem Ausdruck persönlicher Gefühle und Gedanken zu bestehen: So entstanden Alltagslyrik und Lyrik der Neuen Subjektivität.
Jürgen Theobaldy ist einer ihrer Begründer und herausragenden Vertreter. Wie etwa Nicolas Born, F.C. Delius, H.C. Buch, Hugo Dittberner, Rolf Dieter Brinkmann u.a. mit denen Jürgen Theobaldy befreundet oder gut bekannt war.

Ausgewählte Gedichte
ISBN 978-3-8353-5584-2
€ 29,00 (D) | € 29,90 (A)

Theobaldy, Jürgen: 9783499250514 – ZVAB

Biografie Jürgen Theobaldy (nach Wkipedia)
Jürgen Theobaldy, 1944 geboren, der aus einer Ludwigshafener Arbeiterfamilie stammt, wuchs in Mannheim auf. Nach einer kaufmännischen Lehre absolvierte er ein Studium zum Grund- und Hauptschullehrer an den Pädagogischen Hochschulen in Freiburg im Breisgau und Heidelberg. Danach studierte er Literaturwissenschaft an den Universitäten in Heidelberg und Köln sowie seit 1974 an der Freien Universität in Berlin. Seit 1984 lebt er in der Schweiz.
Jürgen Theobaldy, dessen schriftstellerische Anfänge in der Studentenbewegung der Sechzigerjahre liegen, begann in den Siebzigerjahren mit Alltagslyrik und strengeren, traditionellen Formen zu experimentieren. Neben Gedichten hat er eine Reihe von Romanen und Erzählbänden veröffentlicht, die zumeist die eigenen Erfahrungen des Autors verarbeiten.
Von der Stadt Bern erhielt er 1992 für sein Werk In den Aufwind und 2003 für Trilogie der nächsten Ziele einen Buchpreis.[1] Die Literarische Kommission der Stadt Bern verlieh ihm für sein Gesamtwerk den Literaturpreis 2006.[2][3]
Jürgen Theobaldy ist Mitglied des Verbandes „Autorinnen und Autoren der Schweiz“. Bis 2009 arbeitete er in Teilzeit als Protokollschreiber bei den Parlamentsdiensten der Bundesversammlung.[4]
Sein Archiv wurde 2010 vom Schweizerischen Literaturarchiv erworben.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Theobaldyhttps://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Theobaldy)


(c) Theo Schneider
Werke
• Sperrsitz. Gedichte. Palmenpresse, Köln 1973.
• Blaue Flecken. Gedichte. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1974.
• mit Gustav Zürcher: Veränderung der Lyrik. edition text + kritik, München 1976.
• Zweiter Klasse. Gedichte. Rotbuch Verlag, Berlin 1976.
• Sonntags Kino. Roman. Rotbuch Verlag, Berlin 1978.
• Drinks. Gedichte. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1979.
• Schwere Erde, Rauch. Gedichte. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1980.
• Spanische Wände. Roman, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1981.
• Die Sommertour. Gedichte, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1983.
• Midlands, Drinks. Gedichte, Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1984.
• Das Festival im Hof. Erzählungen, Rotbuch Verlag, Berlin 1985.
• In den Aufwind. Gedichte, Friedenauer Presse, Berlin 1990.
• Der Nachtbildsammler. Gedichte, Palmenpresse, Köln 1992.
• Mehrstimmiges Grün. Prosa und Lyrik (= Text und Porträt. 14, hg. vom LCB). Aufbau Verlag, Berlin 1994.
• Ein Glücksfall. Erzählung. Mit Illustrationen von Thomas Weber. Berlin 1996.
• Immer wieder alles. Gedichte. Zu Klampen Verlag, Lüneburg 2000, ISBN 978-3-933156-54-9.
• In der Ferne zitternde Häuser. Prosa. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2000, ISBN 3-88423-170-7.
• Trilogie der nächsten Ziele. Roman. Zu Klampen Verlag, Springe 2003, ISBN 978-3-933156-77-8.
• Wilde Nelken. Gedichte. Zu Klampen Verlag, Springe 2005, ISBN 978-3-933156-84-6.
• 24 Stunden offen. Gedichte. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2006, ISBN 3-929375-75-3.
• Suchen ist schwer. Gedichte. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2012, ISBN 978-3-941126-33-6.
• Aus nächster Nähe. Roman. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-88423-441-9.
• Rückvergütung. Roman, Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-88423-491-4.
• Hin und wieder hin. Gedichte aus Japan. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2015, ISBN 978-3-941126-66-4.
• Auf dem unberührten Tisch. Gedichte. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2019, ISBN 978-3-946685-21-0.
• Geschichten im Vorübergehen. Prosa. verlag die brotsuppe, Biel 2020, ISBN 978-3-03867-026-1.
• Einfach um die Sonne. Gedichte. Klaus Isele Editor, Eggingen 2021, ISBN 978-3-7534-6278-3.
• Poesiealbum 368. Gedichte. Grafik Johannes Vennekamp, Märkischer Verlag, Wilhelmshorst 2022, GTIN 978 3 943708 68 4
• Guten Tag in Kyōto. Zwei Reisen in Tanka. Mäd Book Lyrik Elf, Mäd Books, Basel 2022, ISBN 978-3-906-172-16-3.
• Mein Schützling. Novelle. Transit, Berlin 2023, ISBN 978-3-88747-397-6.
• Bis es passt. Zehn Erzählungen. Verlag Brotsuppe, Biel 2023, ISBN 978-3-03867-089-6.
Herausgeberschaft
• Benzin. Heidelberg, Jg. 1971–1973.
• Und ich bewege mich doch. München 1977.
Übersetzungen
• Aras Ören: Der kurze Traum aus Kagithane. Rotbuch Verlag, Berlin 1974 (Bearbeitung der Übersetzung von H. Achmed Schmiede)
• Jim Burns: Leben in Preston. Palmenpresse, Köln 1973 (Aus dem Englischen zusammen mit Rolf Eckart John)
• Jim Burns: Fred Engels bei Woolworth. Rotbuch Verlag, Berlin 1977 (Aus dem Englischen zusammen mit Rolf Eckart John)
• Lu Xun: Kein Ort zum Schreiben. Gedichte, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1983 (Aus dem Chinesischen zusammen mit Egbert Baqué)
• Liu Zongyuan: Am törichten Bach. Prosa und Gedichte. Aus dem Chinesischen von Raffael Keller, darin sechs Gedichte zusammen mit Raffael Keller, Friedenauer Presse, Berlin 2005, ISBN 3-932109-45-7