Kostprobe: Rebell und Renegat!
Michael Buselmeier liest zu seinem 85. Geburtstag (25.10.23) sein Poem „Wie ich zur Welt kam. Lebensgedicht“

Alter zorniger junger Mann. Vom Studentenführer zum Stadtführer. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Die Widersprüche sind ja die Hoffnungen. Ich kenne wenig Menschen, die sich so treu geblieben sind. Ich kenne wenig Menschen, die sich scheinbar so verändert haben.

Schon in meinem ersten Semester des Germanistikstudiums in Heidelberg vor fünfzig Jahren haben wir ihn bewundert: Ein Anführer der Studentenrebellion, ein linker Intellektueller , der gerade einen Band zur Medienkritik herausgegeben hatte: „Das glückliche Bewußtsein“. Vier Jahre später verblüffte uns der anarchistische Spontihäuptling als Konservativer mit dem Titel seines ersten Gedichtbandes „Nichts soll sich ändern“ im Heidelberger Wunderhorn Verlag, den er mitbegründet hatte und der lange sein Hausverlag war.

1981 erschien als fulminanter Abgesang auf die wilden Zeiten des Aufbruchs der Studentenrevolte im Suhrkamp Verlag sein Roman „Der Untergang von Heidelberg“. Das Buch endet mit einer Radfahrt in die Pfalz. Dort spielt sein zweiter Roman mit dem Titel „Schoppe. Ein Landroman“. Literatur- und geistesgeschichtlich eine naturversöhnte konservative Utopie in der Tradition von Stifters „Nachsommer“, dessen realer und geografischer Hintergrund Edenkoben und die Zusammenkünfte der Autoren im Künstlerhaus sind.

So wurde der Heidelberger Michael Buselmeier, der dort am Schauplatz eines berühmten Volkslieds von Eichendorff lebt zum gelegentlichen Wahlpfälzer. Beim Zusammensein mit Dichterfreunden und den Besuchen der Schwiegermutter, die ihre Tochter, also seine Frau, wohl von einem Nazigranden empfing.
Ich tratsche nicht. Michael Buselmeier hat selbst darüber geschrieben. Ebenso wie über die schwere Demenz seiner Frau („Elisabeth. Ein Abschied“), die er, der 85jährige, seit anderthalb Jahrzehnten pflegt.

Im vorigen Jahr hat Michael Buselmeier sein Leben in ein großes Poem gefasst: „Wie ich zur Welt kam. Lebensgedicht“. Am 1. Oktober haben wir die folgende Lesung in seinem Heidelberger Arbeitszimmer aufgenommen.

Michael Buselmeier
Wie ich zur Welt kam
Lebensgedicht
Typographie Rainer Leippold
32 Seiten. Format 14 x 23 cm. Broschur, fadengeheftet. Auflage 300. Erstausgabe. Juni 2022. € 15,–

Was hier vorliegt, ist ein rund 30 Seiten langes Gedicht in freien Rhythmen über „die geistige Wüste der Zeit“, etwa im Sinn von Eliot, Pound oder Ginsberg; zugleich ein Gedicht über eine Kindheit im Krieg und Nachkrieg und eine lyrische Lebensbilanz. Der Autor, aufgewachsen als Bastard „ohne Gott Vater ohne Kinderzimmer / allein im Geflecht der Abwasserkanäle“, erzählt in alltäglicher Sprache von Ereignissen, die sein Dasein geprägt haben: Kinder und Enkel, die Lektüre von Homer, Dante, Jean Paul und Stifter, das große bürgerliche Theater und die Revolte von 1968. Und natürlich „Afrika wo ich zuerst ans Licht fand auf / bunten Sanellabildern“

Michael Buselmeier

Michael Buselmeier: (c) Theo Schneider

Eine ausführliche Biografie zu Leben und Werken von Michael Buselmeier finden Sie auf der Seite von Wikipedia.
zu Michael Buselmeier bei Wikipedia

Michael Buselmeier: (c) Theo Schneider