Arnold Stadler, einer der erfolgreichsten und wichtigsten Autoren der Bundespublik, ist im April 70 Jahre alt geworden. Er ist der Pfalz auf vielfältige Art verbunden: 1989 erhielt er als junger Autor eines der ersten Aufenthaltsstipendien im Herrenhaus Edenkoben, das damals noch das Künstlerhaus des Landes war. Dort entstand damals auch sein zweiter Roman. Er ist Juror der Literatur im Herrenhaus und war Mitbegründer der „Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung“, die von 2005 bis 2020 alljährlich dort stattfand. Und er ist aktueller „Turmschreiber von Deidesheim“ für die Jahre 2024/25.
Die Liste seiner Veröffentlichungen umfasst mehr als dreißig Titel, darunter allein zehn Romane. Ihre Themen sind fast alle biografisch konnotiert, behandeln Vergangenheiten und Gegenwarten, Heimaten und Reisen, Erinnerungen und Weltbetrachtungen des Erzählers: „Autofiktionale Literatur“ avant la lettre.
In dieser Folge 48 von Podcastliteratur.de unterhält sich Theo Schneider mit Arnold Stadler über seine ersten drei und seine beiden jüngsten Romane; über Gott und die Welt und das eigene Befinden.
Höchst unprofessionell diesmal durchaus literarisch, aber auch ziemlich intim: stellenweise das reinste Altmännergeschwätz!
Und anders als sonst, halten wir uns diesmal nicht an die Vorgaben eines Ablaufplans. Der wird schon gleich über den Haufen geschmissen. Stattdessen überlassen wir uns gelassen den Unwägbarkeiten ungeordneten Geplauders.
Einmal auf der Welt. Und dann so
Roman
An der Straße von Wien nach Paris liegt das Dorf, aus dem Arnold Stadlers Held kommt. Hier wurde er geboren, ohne dass er wüsste, warum. Eines Tages kriegt er den letzten Spielkameraden, das geliebte Ferkel Frederic, als Wurstsuppe vorgesetzt. Jetzt weiß er: Wer hier lebt, setzt sich, sobald es geht, in freundlichere Gegenden ab. Doch weder im Süden Amerikas noch als Priester-Seminarist in Rom will man ihn. Er geht nach Freiburg und hält sich als Grabredner über Wasser. Zuhause wird der Hof verkauft, was den Verlust der Heimat und das Ende der Kindheitsträume endgültig besiegelt. Wer da nicht den Verstand verliert, beginnt zu dichten.
In grundlegend überarbeiteter und erweiterter Fassung erscheint Arnold Stadlers berühmte autobiographische Trilogie in einem Band: ›Ich war einmal‹, ›Feuerland‹ und ›Mein Hund, meine Sau, mein Leben‹.
Am siebten Tag flog ich zurück
Meine Reise zum Kilimandscharo
Zum Kilimandscharo reist in diesem wundersamen Buch der Ich-Erzähler, hinter dem sein Autor Arnold Stadler gut zu erkennen ist. Eine Reportage soll er schreiben, aber er will weder auf den Gipfel noch auf Safari gehen. Im Gegenteil: Er hat Angst vor wilden Tieren und einen Smoking und Lackschuhe im Gepäck, weil er ja anschließend eine Einladung nach Bremen hat … Und es genügt ihm völlig, einfach den wunderbaren Berg anzuschauen, der als Ölgemälde in der elterlichen Wohnstube hing und seither sein Sehnsuchtsziel ist.
Die Reise nach Afrika wird für den Erzähler zu einer tragikomischen Tour de Force durch deutsche Gegenwart, koloniale Vergangenheit und touristische Träume. Und, wie könnte es anders sein bei diesem Autor, zu einer kurvenreichen Erkundung des eigenen Inneren und des ganzen menschlichen Lebens. »Am siebten Tag flog ich zurück« ist ein poetisches Plädoyer, in einer sich wandelnden Welt das eigene Ich zu erhalten, die eigenen Wege zu gehen – und auf dem Glück zu bestehen.
Irgendwo. Aber am Meer
Roman
In Arnold Stadlers Roman »Irgendwo. Aber am Meer« reist ein Schriftsteller zu einer Kulturveranstaltung in den Westerwald, wo er an einem »Talk« teilnehmen soll. Aber der »Event« wird zum Fiasko. Befragt, was sein Beitrag zur Energiewende sei, wie er zu Greta Thunberg und den im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlingen stehe, verstrickt er sich in einen hilflosen Antwortversuch. »Das ist ja das reinste weiße Altmännergeschwätz!«, schallt es aus dem Publikum.
Erholungsbedürftig bricht der »Experte im Nichtwissen«, dem die Gegenwart fremd geworden ist, zu einem Sehnsuchtsort seines Lebens auf: ein Haus mit Blick auf die griechische Insel Ithaka. Es wird eine tragikomische Reise durch Erinnerungen, Geschichten und Gedanken, eine Suche nach unserem Platz in der Welt: dem Ort, an dem wir – trotz allem! – glücklich sein können. Irgendwo. Aber am Meer.
Arnold Stadler
Arnold Stadler wurde 1954 in Meßkirch geboren. Er studierte katholische Theologie in München, Rom und Freiburg, anschließend Literaturwissenschaft in Freiburg, Bonn und Köln. Er lebt und schreibt in Berlin, in Sallahn unweit der Elbe und in Rast über Meßkirch. Arnold Stadler erhielt zahlreiche bedeutende Literaturpreise, darunter der Georg-Büchner-Preis. Zuletzt erschienen die Romane »Rauschzeit« und »Am siebten Tag flog ich zurück« sowie der Künstleressay »Mein Leben mit Mark«.
Literaturpreise (u.a.):
• 1989 Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung für »Ich war einmal«
• 1994 Hermann-Hesse-Preis – Förderpreis für »Feuerland«
• 1995 Nicolas-Born-Preis für Lyrik der Hubert-Burda-Stiftung
• 1996 Thaddäus-Troll-Preis
• 1998 Marie-Luise-Kaschnitz-Preis
• 1999 Alemannischer Literaturpreis
• 1999 Georg-Büchner-Preis, für seine autobiographisch gefärbten Romane
• 2009 Kleist-Preis
• 2010 Johann-Peter-Hebel-Preis, der besonders Stadlers autobiographisch geprägte Trilogie »Feuerland«, »Ich war einmal« und »Mein Hund meine Sau mein Leben« würdigt
• 2014 Bodensee-Literaturpreis