1848 hatten es die Völker Mitteleuropas satt, unter der Knute autokratischer Könige und Fürsten zu leiden. Von Frankreich bis zum Schwarzen Meer, von Skandinavien bis Palermo brachen politische und soziale Konflikte aus.
In der Pfalz, die damals zum Königreich Bayern gehörte, blieb es zunächst ruhig. Denn Deutschland schien gerade dabei zu sein, die vielen Kleinstaaten zu einem konstitutionellen Bundesstaat zu vereinen und die Verfassung der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche enthielt Grundrechte, die das Land zu einem der fortschrittlichsten Verfassungsstaaten gemacht hätten; von denen viele 1949 in das Grundgesetz der BRD übernommen wurden.
Doch die bayerische Regierung und der der preußische König sagten sich: Scheiß auf die Demokratie! Scheiß auf das Volk!
In der Pfalz war man geschockt! Und bald war klar, dass der Konflikt auf eine bewaffnete Auseinandersetzung hinauslaufen würde. Denn Macht kommt nun mal aus Mündungen und aus den Mündern nicht!
Und so berief man in der Pfalz Volksversammlungen ein, die sich vom Königreich Bayern lossagten und stellte eine Volkswehr auf. Wenn die Historiker heute immer noch von „Pfälzer Aufstand“ oder gar „Rebellion“ und „Revolution“ reden, dann plappert ihre Wortwahl, wie so oft, eigentlich den Diskurs antidemokratischer Machthaber nach. Denn Pfälzer und Badener Widerstandskämpfer verteidigten die Verfassung der Nationalversammlung und damit ihre demokratischen Gesetze und Errungenschaften.
Im Mai 1849, also vor 175 Jahren, wurde in Kaiserslautern eine provisorische Regierung gebildet, die Volksbewaffnung beschlossen und eine Verteidigungsarmee aufgestellt. Doch die preußischen Armeen waren schon im Anmarsch. Und deren 19.000 Mann starken Verbänden, waren die schlecht bewaffneten und ausgebildeten Truppen der Pfälzer hoffnungslos unterlegen. Die Kämpfe bestanden fast nur Gefechten beim Rückzug von Kirchheimbolanden, Kaiserslautern, durch Rinnthal und Neustadter Tal über den Rhein nach Baden mit dem Ende in Rastatt im Juni 1849.
Und genau hier setzt der literarische Teil unseres Extras zum 175jährigen Gedenken an die Verteidiger und Verteidigerinnen der Verfassung, Demokratie und Menschenrechte ein, auf deren Schultern und in deren Schuld wir stehen. Eine der wichtigsten war Mathilde Franziska Anneke. Doch bevor ich Ihnen einige Passagen aus ihren „Memoiren aus dem badisch-pfälzischen Feldzug 1848/49“ vorlese, möchte ich sie selbst kurz vorstellen:
Sie wurde 1817 in Westfalen als Tochter eines wohlhabenden Gutsbesitzers geboren, war gebildet, hübsch und so groß gewachsen wie Taylor Swift. Nach der Scheidung aus einer aufgezwungenen Ehe lebte sie in Münster als Schriftstellerin und gehörte zum Kreis von Annette Droste-Hülshoff. Hier lernte sie ihren zweiten Ehemann Fritz Anneke kennen. Das Paar ließ sich in Köln nieder, wo Mathilde Franziska Anneke bald zur demokratischen und kommunistischen Szene gehörte. Sie lernte Marx und Engels kennen, knüpfte Kontakte zu Herwegh, Lasalle und Freiligrath und schrieb für die Kölnische Zeitung.
Als ihrem Mann Fritz Anneke 1849 die Leitung der Artillerie der Pfälzischen Volkswehr übertragen wurde, reiste sie ihm nach und traf ihn in Frankenstein zwischen Kaiserslautern und Neustadt.
Wenige Wochen später war der Volksaufstand zu Ende. Aber das Leben und der Kampf von Mathilde Franziska Anneke gingen weiter.
Über Frankreich flohen sie und ihr Mann ins Exil in die USA. 1850 ließen sie sich in Milwaukee nieder und arbeiteten für deutsche Zeitungen.
1952 erschien die erste Ausgabe ihrer deutschsprachigen Frauenzeitschrift. Bald kam sie zum „American woman’s rights movement“ und hielt flammende Reden gegen Prohibition, Nationalismus, Klerikalismus und die Ungleichheit der Geschlechter. Sie wurde eine der führenden frühen Feministinnen der USA und war Vizepräsidentin der „National Woman Suffrage Association“.
Mit Kurzgeschichten und Artikeln agitierte sie gegen die Sklaverei, gründete und betrieb eine fortschrittliche Mädchenschule. Am 25. November 1884, also heute vor 140 Jahren, starb Mathilde Franziska Anneke in Milwaukee.