Es war Anfang der Achtziger Jahre als wir uns kennenlernten. Ich war zum ersten Mal in Nicaragua auf den Spuren der sandinistischen Revolution und der Lyrik Lateinamerikas. Gioconda Belli entwarf damals Konzepte für Gesundheitskampagnen, arbeitete für verschiedene Medien und schrieb Gedichte. Deren Übersetzungen kannte ich aus ihrem ersten Gedichtband auf Deutsch („Feuerlinie“), der 1981 im Peter Hammer Verlag erschienen war.
Wilde Gedichte, engagierte Gedichte, revolutionäre Gedichte, offenherzige Gedichte, feministische Gedichte, deren freizügiges Sprechen über Sexualität und Machismo in den Siebziger Jahren in Nicaragua einen Skandal verursacht hatte.
Gedichte, die an den Feuerlinien von zwei Fronten kämpften: An der politischen Front im Kampf gegen die blutige Diktatur des Somoza-Regimes, an dem sich Gioconda Belli aktiv beteiligt hatte. Und an der Front des Feminismus, der gegen die patriarchalischen Spielregeln und den Machismo Mittelamerikas kämpfte. Zum ersten Mal in der nicaraguanischen Lyrik sprachen ihre Verse unverblümt von weiblichem Begehren und weiblicher Sexualität.
Gioconda Belli schrieb seitdem noch viele Gedichte, Romane, Erzählungen, Erinnerungen und politische Artikel. Und sie reiste um die halbe Welt, um sie vorzustellen. Bei ihren Lesungen in der Bundesrepublik konnte ich sie als Rezitator der deutschen Übersetzungen begleiten und besser kennenlernen ….
…. und so verging die Zeit und unsere Jugend schritt unaufhörlich voran …..
Gioconda Belli
Gioconda Belli wurde 1948 in einem bürgerlichen Elternhaus in Managua, Nicaragua, geboren. Sie studierte in Spanien und in den USA. Ihre ersten Gedichte erschienen 1970 in der Kulturzeitschrift „La Prensa Literaria“ und im selben Jahr schloss sie sich der Befreiungsfront FSLN gegen die Somoza-Diktatur an. Dieses politische Engagement führte sie 1975 ins Exil nach Mexiko, später nach Costa Rica. 1976 verurteilte sie ein Gericht Somozas wegen subversiver Aktivitäten gegen die Somoza-Diktatur in Abwesenheit zu sieben Jahren Haft. Dennoch blieb Gioconda Belli politisch aktiv und wurde 1979, noch vor dem Sieg über die Diktatur in Nicaragua, Mitglied der Außenpolitischen Kommission der FSLN.
1978 wurde sie für ihren Lyrikband „Línea de Fuego“ mit dem kubanischen Literaturpreis „Casa de las Américas“ ausgezeichnet.
1984 vertrat sie die FSLN im Nationalen Rat der politischen Parteien und avancierte zur geschäftsführenden Sekretärin des Wahlausschusses. Sie arbeitete als Redakteurin der Kulturzeitschrift „Ventana“ und „Nuevo Ananecer Cultural“ und auf verschiedenen kulturpolitischen Posten für die Revolutionsregierung, unter anderem als Fernsehdirektorin und Pressesprecherin. Enttäuscht über das politische Versagen, die Realitätsferne und den Machismo der Kader – die ihr beispielsweise den Kontakt zu ihrem späteren Ehemann verbieten, einem amerikanischen Journalisten –, sagt sie sich Anfang der 1990er Jahre von den Sandinisten los. In „Die Verteidigung des Glücks“, ihren Memoiren, erzählt sie von dem Zwiespalt zwischen politischem Engagement und ihrer Selbstverwirklichung als Frau. „Ich gelangte zu der Überzeugung, daß es genauso berechtigt ist, glücklich sein zu wollen, wie die Revolution zu machen“, ist ihr Fazit. „Wie wollte ich die Welt retten, wenn ich nicht so klug war, nach meinem eigenen Glück zu streben?“
Die nicaraguanische Regierung entzog im Februar 2023 vierundneunzig Intellektuellen die Staatsbürgerschaft, unter anderen auch Gioconda Belli. Sie nahm die chilenische Staatsbürgerschaft an und lebt heute in Madrid.
Werke (Auszug aus Wikipedia):
Romane
• Tochter des Vulkans. Roman (übers. von Lutz Kliche). Dtv, München 2006, ISBN 3-423-20896-1.
• Bewohnte Frau. Roman (übers. von Lutz Kliche). Dtv, München 2007, ISBN 978-3-423-21011-9.
• Waslala. Roman (übers. von Lutz Kliche). Dtv, München 2007, ISBN 978-3-423-20937-3.
• Das Manuskript der Verführung (übers. von Elisabeth Müller). Edition Jumbo, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8337-1905-9.
• Unendlichkeit in ihrer Hand (übers. von Elisabeth Müller). Droemer, München 2009, ISBN 978-3-426-19852-0.
• Die Republik der Frauen (übers. von Lutz Kliche). Droemer, München 2012, ISBN 978-3-426-19915-2.
• El intenso calor de la Luna / Mondhitze. Droemer, München 2016, ISBN 978-3-426-28131-4.
Lyrik
• Quetzalcóatls Traum. Das Gedächtnis Americas. Übersetzt von Erna Pfeiffer. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1992.
• Zauber gegen die Kälte. Erotische Gedichte (übers. von Anneliese Schwarzer). Dtv, München 1998, ISBN 3-423-12577-2.
• In der Farbe des Morgens. Gedichte. Dtv, München 2000, ISBN 3-423-11565-3.
• Wenn du mich lieben willst. Gesammelte Gedichte (übers. von Juliane Steinbach, Dieter Masuhr und Dagmar Ploetz). Hammer-Verlag, Wuppertal 2000,
ISBN 3-87294-837-7.
• Feuerwerk in meinem Hafen (übers. von Lutz Kliche). Hammer-Verlag, Wuppertal 2001, ISBN 3-87294-752-4.
• Ich bin Sehnsucht, verkleidet als Frau. Gedichte (übers. von Angelica Ammar und Dagmar Ploetz). Dtv, München 2005, ISBN 3-423-13375-9.
Anderes
• Die Werkstatt der Schmetterlinge. Ein Märchen (übers. von Wolf Erlbruch). Hammer-Verlag, Wuppertal 1994, ISBN 3-87294-607-2.
• Die Verteidigung des Glücks. Erinnerungen an Liebe und Krieg (übers. von Lutz Kliche). Dtv, München 2002, ISBN 3-423-13015-6.
• Die Blume und der Baum. Eine Liebesgeschichte (übers. von Barbara Steinitz und Sigrid Groß). Hammer-Verlag, Wuppertal 2006, ISBN 3-7795-0069-8.
• Träger der Träume. Hörbuch (gelesen von Suzanne von Borsody, Musik von Grupo Sal), 2007.
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