Extra: Von Genossen erschossen: Roque Dalton Dichter und Revolutionär (14.5.1935 – 10.5.1975)

„Eran polvo, mas, ?polvo enamorado?“ – „Sie werden Staub sein, aber verliebter Staub?
Mein Lieblingsgedicht von Roque Dalton. „Nach der Atombombe“ ist der Titel dieses Epigramms. Das mich immer wieder zu Karaoke anstiftet: Braucht man den Titel? Ist das nicht die wichtigste Frage nach jedem Tod? Und gilt das nicht für uns alle? Sollte es nicht noch besser lauten: „ Wir werden Staub sein. Aber Staub, der geliebt hat?“ „Seremos polvo, pero polvo amó?“

Noch ein Karaoke: „Wir werden Sternenstaub sein. Aber Sternenstaub, der geliebt hat?“
Das ihn mit dem nicaraguanischen Dichter Ernesto Cardenal verschmilzt, der mir als erster von Roque Dalton erzählt hat. Den sie damals alle kannten und verehrten. Damals, in den 1970er Jahren. Als sie in Nicaragua nicht ahnten, dass sie ein ähnliches Schicksal treffen würde: Kinder einer Revolution, die ihre Kinder fressen würde.

Roque Dalton wurde am 14. Mai 1935 in San Salvador geboren. Schon als junger Mann engagierte er sich politisch gegen die rechte Diktatur in El Salvador. Zweimal wurde er zum Tode verurteilt, zweimal entging er wie durch ein Wunder der Exekution. Nach Jahren des Exils kehrte er heimlich nach El Salvador zurück und schloss sich der Guerilla an. Am 10. Mai 1975 erschossen ihn die eigenen Genossen unter dem Vorwand ein Agent der CIA zu sein. Was in Wahrheit Folge eines Machtkampfs war.

Zu diesem ideologischen Machtkampf kam seine Persönlichkeit. Er war ein undogmatischer Charakter, mit schwarzem Humor, Ironie, Sarkasmus und Spott, mit offener Kritik, auch gegenüber den eigenen Genossen. Und die können, auch wir mussten diese Erfahrungen machen, das gar nicht gut ertragen. Roque Dalton thematisiert in seinen Gedichten die Konflikte in El Salvador. Sie reden von den politischen Auseinandersetzungen, von den sozialen Problemen, vom Elend der Unterdrückten.

Seine Lyrik markiert eine fundamentale Wende in der Literatur von Zentralamerika. Sie vollzieht eine ethische Wende, will politischen und sozialen Einfluss nehmen. Und sie vollzieht eine poetische Wende:„Poesia, perdoname por haberte hecho comprender/ que no estás hecha sólo de palabras“ – „Poesie, verzeih mir, das ich dir geholfen habe zu begreifen/ dass du nicht nur aus Wörtern gemacht bist!“

Roque Dalton; Casa de las Américas,
Public domain, via Wikimedia Commons

Werke

• Mía junto a los pájaros, 1957
• La ventana en el rostro, 1961
• El mar, 1962
• El turno del ofendido, 1962
• Los testimonios, 1964
• Poemas, 1968
• Taberna y otros lugares, 1969
• Los pequenos infiernos, 1970
Werke in deutscher Übersetzung
• Y otros lugares / Und andere Orte. Gedichte spanisch – deutsch. Stroemfeld Verlag, Basel 1981. ISBN 3-87877-143-6.
• Armer kleiner Dichter, der ich war. Roman. Rotpunktverlag, Zürich 1986. ISBN 3-85869-034-1.
• Poesiealbum 236. Verlag Neues Leben, Berlin 1987. ISBN 3-355-00515-0.
• Ich träumte von Schlangen (Una experiencia personal), in: Carlos Rincón (Hg.): Erkundungen. 50 Erzähler aus Mittelamerika, Berlin (Verlag Volk und Welt) 1988, S. 280–289.
• Däumlings verbotene Geschichten. Rotpunktverlag, Zürich 1989. ISBN 3-85869-054-6.
• Die Welt ist ein hinkender Tausendfüssler. Das Jahrhundert des Miguel Mármol. Rotpunktverlag, Zürich 1997. ISBN 3-85869-072-4.
Film
• Tina Leisch: Roque Dalton. ¡Fusilemos la noche!, Let’s shoot the night!, Erschiessen wir die Nacht!, Österreich, El Salvador, Cuba 2013, 86 min.

Diese und weitere Infos zu Roque Dalton finden Sie bei Wikipedia