Kostprobe: Kunstkampf
Jürgen Theobaldy: „Mein Schützling“ Novelle

In diesem Jahr ist er 80 geworden: Jürgen Theobaldy. Er stammt aus Ludwigshafen, ist im Mannheimer Arbeitermilieu aufgewachsen, von dem viele seiner frühen Texte inspiriert sind, in Heidelberg hat er studiert und an der Studentenbewegung teilgenommen, dann ist er nach Berlin gezogen und seit vier Jahrzehnten lebt, arbeitet und liebt er in der Schweiz.

Als Dichter hat er Literaturgeschichte geschrieben als er und eine Handvoll anderer Autoren in den 70er Jahren die deutsche Lyrik erneuert haben mit „Alltagslyrik“ und „Neuer Sensibilität“. Indem sie alltägliche Erfahrungen zum Gegenstand ihrer Gedichte machten und in umgangssprachlichen Redeweisen formulierten. Und im Gegensatz zu damals verbreiteten Forderungen politisch propagandistisch zu schreiben, bestanden sie auf der Wichtigkeit auch ihrer ganz persönlichen, intimen Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen.

Aber Jürgen Theobaldy hat immer auch Prosa geschrieben. Zuletzt die Novelle „Mein Schützling“. Darin geht es, neben der eigentlichen Novellenhandlung, die hier nicht verraten werden darf, um klassische Musik.

Im Zentrum stehen ein junger Dirigent, der zum unberechenbaren Ausrasten neigt, und sein Agent, der als Einziger damit umgehen kann. Er beschützt die Karriere seines „Schützlings“ vor den Folgen seiner eigenen Unberechenbarkeit und den knallharten Gegebenheiten des Musikmarktes. Vor allem aber trifft er ihn zwischen den Konzerten immer wieder, um mit ihm über klassische Musik zu philosophieren. Diese Dialoge, dieses Nachdenken über Wesen und Ausdrucksmöglichkeiten von Musik, besonders über das Verhältnis von Partitur und lebendiger Aufführung, von Komponist und Dirigent, machen den Kern der Novelle aus.

In dieser Kostprobe spricht Jürgen Theobaldy mit Theo Schneider über Anlässe, Absichten und Themen dieser Novelle und liest ausführliche Passagen daraus.

Jürgen Theobaldy
„Mein Schützling“ Novelle
Transit Verlag Berlin 1923
96 Seiten gebunden 18,00 Euro

Biografie Jürgen Theobaldy (nach Wkipedia)

Jürgen Theobaldy, 1944 geboren, der aus einer Ludwigshafener Arbeiterfamilie stammt, wuchs in Mannheim auf. Nach einer kaufmännischen Lehre absolvierte er ein Studium zum Grund- und Hauptschullehrer an den Pädagogischen Hochschulen in Freiburg im Breisgau und Heidelberg. Danach studierte er Literaturwissenschaft an den Universitäten in Heidelberg und Köln sowie seit 1974 an der Freien Universität in Berlin. Seit 1984 lebt er in der Schweiz.
Jürgen Theobaldy, dessen schriftstellerische Anfänge in der Studentenbewegung der Sechzigerjahre liegen, begann in den Siebzigerjahren mit Alltagslyrik und strengeren, traditionellen Formen zu experimentieren. Neben Gedichten hat er eine Reihe von Romanen und Erzählbänden veröffentlicht, die zumeist die eigenen Erfahrungen des Autors verarbeiten.

Von der Stadt Bern erhielt er 1992 für sein Werk In den Aufwind und 2003 für Trilogie der nächsten Ziele einen Buchpreis.[1] Die Literarische Kommission der Stadt Bern verlieh ihm für sein Gesamtwerk den Literaturpreis 2006.[2][3]
Jürgen Theobaldy ist Mitglied des Verbandes „Autorinnen und Autoren der Schweiz“. Bis 2009 arbeitete er in Teilzeit als Protokollschreiber bei den Parlamentsdiensten der Bundesversammlung.[4]
Sein Archiv wurde 2010 vom Schweizerischen Literaturarchiv erworben.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Theobaldyhttps://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Theobaldy)

Jürgen Theobaldy im japanischen Garten Kaiserslautern Juni 2024
(c) Theo Schneider
Jürgen Theobaldy und Theo Schneider Juni 2024
(c) Theo Schneider

Werke

• Sperrsitz. Gedichte. Palmenpresse, Köln 1973.
• Blaue Flecken. Gedichte. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1974.
• mit Gustav Zürcher: Veränderung der Lyrik. edition text + kritik, München 1976.
• Zweiter Klasse. Gedichte. Rotbuch Verlag, Berlin 1976.
• Sonntags Kino. Roman. Rotbuch Verlag, Berlin 1978.
• Drinks. Gedichte. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1979.
• Schwere Erde, Rauch. Gedichte. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1980.
• Spanische Wände. Roman, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1981.
• Die Sommertour. Gedichte, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1983.
• Midlands, Drinks. Gedichte, Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1984.
• Das Festival im Hof. Erzählungen, Rotbuch Verlag, Berlin 1985.
• In den Aufwind. Gedichte, Friedenauer Presse, Berlin 1990.
• Der Nachtbildsammler. Gedichte, Palmenpresse, Köln 1992.
• Mehrstimmiges Grün. Prosa und Lyrik (= Text und Porträt. 14, hg. vom LCB). Aufbau Verlag, Berlin 1994.
• Ein Glücksfall. Erzählung. Mit Illustrationen von Thomas Weber. Berlin 1996.
• Immer wieder alles. Gedichte. Zu Klampen Verlag, Lüneburg 2000, ISBN 978-3-933156-54-9.
• In der Ferne zitternde Häuser. Prosa. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2000, ISBN 3-88423-170-7.
• Trilogie der nächsten Ziele. Roman. Zu Klampen Verlag, Springe 2003, ISBN 978-3-933156-77-8.
• Wilde Nelken. Gedichte. Zu Klampen Verlag, Springe 2005, ISBN 978-3-933156-84-6.
• 24 Stunden offen. Gedichte. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2006, ISBN 3-929375-75-3.
• Suchen ist schwer. Gedichte. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2012, ISBN 978-3-941126-33-6.
• Aus nächster Nähe. Roman. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-88423-441-9.
• Rückvergütung. Roman, Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-88423-491-4.
• Hin und wieder hin. Gedichte aus Japan. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2015, ISBN 978-3-941126-66-4.
• Auf dem unberührten Tisch. Gedichte. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2019, ISBN 978-3-946685-21-0.
• Geschichten im Vorübergehen. Prosa. verlag die brotsuppe, Biel 2020, ISBN 978-3-03867-026-1.
• Einfach um die Sonne. Gedichte. Klaus Isele Editor, Eggingen 2021, ISBN 978-3-7534-6278-3.
• Poesiealbum 368. Gedichte. Grafik Johannes Vennekamp, Märkischer Verlag, Wilhelmshorst 2022, GTIN 978 3 943708 68 4
• Guten Tag in Kyōto. Zwei Reisen in Tanka. Mäd Book Lyrik Elf, Mäd Books, Basel 2022, ISBN 978-3-906-172-16-3.
• Mein Schützling. Novelle. Transit, Berlin 2023, ISBN 978-3-88747-397-6.
• Bis es passt. Zehn Erzählungen. Verlag Brotsuppe, Biel 2023, ISBN 978-3-03867-089-6.

Herausgeberschaft

• Benzin. Heidelberg, Jg. 1971–1973.
• Und ich bewege mich doch. München 1977.

Übersetzungen

• Aras Ören: Der kurze Traum aus Kagithane. Rotbuch Verlag, Berlin 1974 (Bearbeitung der Übersetzung von H. Achmed Schmiede)
• Jim Burns: Leben in Preston. Palmenpresse, Köln 1973 (Aus dem Englischen zusammen mit Rolf Eckart John)
• Jim Burns: Fred Engels bei Woolworth. Rotbuch Verlag, Berlin 1977 (Aus dem Englischen zusammen mit Rolf Eckart John)
• Lu Xun: Kein Ort zum Schreiben. Gedichte, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1983 (Aus dem Chinesischen zusammen mit Egbert Baqué)
• Liu Zongyuan: Am törichten Bach. Prosa und Gedichte. Aus dem Chinesischen von Raffael Keller, darin sechs Gedichte zusammen mit Raffael Keller, Friedenauer Presse, Berlin 2005, ISBN 3-932109-45-7

Pressestimmen

WDR3 Gutenbergs Welt Manuela Reichart
Ein besonders musikalisches Buch möchte ich Ihnen empfehlen: Jürgen Theobaldy »Mein Schützling«. …Nur sein Agent kann mit dem unberechenbaren Dirigenten umgehen und aus dessen Perspektive wird die Künstlernovelle fein instrumentalisiert und mit großer Kenntnis des Musikbetriebs erzählt. Theobaldy zeichnet mit ebenso großer Genauigkeit wie Diskretion seine beiden Protagonisten.
8.7.2023

MDR Kultur Ulrich Rüdenauer
Die Novelle ist hochkonzentriert, sie liefert detaillierte Einblicke in einen umkämpften Markt, in dem es nicht allein um Können geht, sondern auch um Images und Aura und die Inszenierung des Genialischen. Dabei hat Theobaldys Prosa selbst etwas Musikalisches. Weit ausschwingende Sätze, die einen Sog entwickeln, sanfte arabeske Melodielinien.
7.7.2023

Der Bund Alexander Sury
Theobaldy erzählt ungewöhnlich intensiv und gleichzeitig diskret. Es ist ein faszinierender Text und ein sehr genaues Porträt eines Musikers. Man merkt, dass Theobaldy ein großer Kenner des Musikbetriebs und der Musik ist. Alles wird auf eine sehr schöne Weise erzählt, es ist wie hingetupft und es macht großen Spaß das Buch zu lesen, auch wenn man keine Musikkennerin ist. Denn Theobaldy verwebt die Fäden so spannend, dass fast ein Krimi daraus wird.
11.5.2023

rbb Kultur Manuela Reichhardt
Theobaldy erzählt ungewöhnlich intensiv und gleichzeitig diskret. Es ist ein faszinierender Text und ein sehr genaues Porträt eines Musikers. Man merkt, dass Theobaldy ein großer Kenner des Musikbetriebs und der Musik ist. Alles wird auf eine sehr schöne Weise erzählt, es ist wie hingetupft und es macht großen Spaß das Buch zu lesen, auch wenn man keine Musikkennerin ist. Denn Theobaldy verwebt die Fäden so spannend, dass fast ein Krimi daraus wird.
24.4.2023

Die Welt Hans Christoph Buch
Die Lektüre ist ein Muss – schon deshalb, weil Theobaldy zu großer Form aufläuft und sich frei schreibt von jeglichem Ballast. (Dass er sich, ohne Aufhebens davon zu machen, als profunder Kenner klassischer wie moderner Musik erweist, sei nur am Rande, in Klammern vermerkt.)
2.4.2023

Mannheimer Morgen Thomas Groß
… erzählerisch genau und mit hohem Stilempfinden. Theobaldy schreibt über die Grenzen des Erzählens und der Sprache … diese Novelle ist ein Abgesang auf die Hochkultur, die einen ständigen Niedergang diagnostiziert – die große Namen längst verstorbener Künstler idealisiert und darüber die Gegenwart des Lebens zu verpassen droht. Und es passiert noch mehr, das man am besten selber liest in diesem schönen Buch, das auch mit den Finessen der Ironie souverän zu verfahren weiß…